Veränderungsmanagement und Coaching

Mit einer Nachfolge sind oftmals auch die Themen Changemanagement und Führungskultur verbunden. Dr. Denise Klinger hat vor 2 Jahren in einer Familiennachfolge die CEFEG GmbH Chemnitz übernommen. Und sie sagt: „Bei der Unternehmensübergabe prallen häufig generationenbedingt unterschiedliche Führungskulturen aufeinander. Die Herausforderung besteht darin, die Erwartungen aller Mitarbeiter unter einer gemeinsamen Vision und einem gemeinsamen Wertesystem zu vereinigen.“

Der Nachfolgeprozess wurde in der CEFEG GmbH von Spezialisten begleitet, um vor allem klare Strukturen zu entwickeln und die Nachfolge auch für die Mitarbeiter transparent zu gestalten.

Dr. Denise Klinger hat vor 2 Jahren in einer Familiennachfolge die CEFEG GmbH Chemnitz übernommen. | Foto: Karla Mohr

Über Führungskultur im Nachfolgeprozess sprachen wir deshalb mit Juliane Ulbricht, die mit ihrem Beratungsunternehmen, der JUNACO Organisationsentwicklungs GmbH, schon viele Unternehmen bei der Entwicklung einer guten Unternehmens- und Führungskultur begleitet hat.

NachfolgeWerk: Frau Ulbricht, mit dem NachfolgeWerk beschäftigen wir uns mit dem Thema Führungskultur im Nachfolgeprozess, da wir in unseren Gesprächen häufig feststellen, dass unterschiedliche Führungsverständnisse zwischen Übernehmern und Übergebern in der Übergabephase, aber besonders in der Zeit nach dem Wechsel, den Übergabeerfolg sehr beeinflussen. Sie beraten im Bereich Organisationsentwicklung und Führung, auch in Übergabeprozessen. Wo und wann setzen Sie in Ihrer Begleitung der Übergeber und Übernehmer an?

Juliane Ulbricht: So zeitig wie irgendwie möglich. Wir bringen viele Inspirationen mit wie so ein Prozess gelingen kann, wir bereiten die Rahmenbedingungen bzw. den Weg vor. Wir setzen also die Leitplanken, für einen optimalen Prozessverlauf. Wir versuchen vor allem, “Parteienbildung” zu vermeiden – Wir Alten, die Neuen. Denn das schlägt sich ganz schnell auch auf die gesamte Belegschaft um. Also es geht ganz schnell in dieses “wir” und “ihr” oder Teile von Unternehmen gegen andere Teile.

Und deshalb sind wir ein neutrales Moderationsteam oder Organisationsteam, die erst mal sagen: ‚Okay, wie kann man denn so einen Prozess angehen? Was brauchen wir denn? Wie können wir alle mitnehmen? Was sind die Voraussetzungen und mögliche Erfolgsfaktoren?‘ Und vor allem sind wir diejenigen, die die Beteiligten nicht im eigenen Saft schmoren lassen, sondern vielmehr Ideen einbringen, viel Inspiration mitbringen, viele Gespräche mitbringen, viel Zeit mitbringen. Das könnte man von innen heraus vielleicht nicht so gut stemmen. Genau das ist im allerersten unser Job.

NachfolgeWerk: Was sind aus Ihrer Erfahrung heraus die wichtigen Meilensteine und Eckpfeiler Ihrer Arbeit während des Übergabeprozesses – mit Fokus auf das Thema Führung?

Juliane Ulbricht: Eine “Übergabe-Blaupause” zu finden ist natürlich schwierig. Ich muss bei jeder Übergabe zu Beginn schauen, in welcher Gefühlslage sind denn die Leute gerade? Sind sie schon im Veränderungsprozess? Wo befinden wir uns denn im Unternehmen gerade? Wo befindet sich der Übernehmende, wenn es eine Nachfolge gibt? Wo ist der Nachfolger oder die Nachfolgerin zu diesem Zeitpunkt schon involviert? Ist er/sie schon Teil des Teams? Wir versuchen hier Schnellschüsse, Bauchentscheidungen und Kickstarts zu vermeiden, sondern wir nehmen uns erst mal der Situation an und das ist wirklich wichtig.

Dort setzen wir an und bereiten dann parallel auch eine ganz kluge, eine ganz intensive Kommunikationsstrategie vor. Dann geht man so langsam in vielen Parallelsträngen in die Aktion – Prozesse, Führung, Kultur, Kommunikation usw.  Kommunikation ist das A und O. Unsere Aufgabe ist es, alle Mitarbeitenden so gut wie möglich, so sanft wie möglich und mit so viel Geduld und Zeit wie möglich aktiv ins Boot zu nehmen. Wir greifen dabei die drängenden Fragen der Mitarbeiter auf – ‚Was heißt denn das jetzt?‘ – ‚Was ändert sich denn?‘

Aufgabe ist es natürlich auch, parallel Übergebende und Übernehmende in die Kommunikationsverantwortung zu nehmen. Wer gibt wann ab? Wer ist wann da? Und irgendwann greifen auch noch die Themen, die keiner mag. Also: ‚Was ändert sich strukturell, prozessual, rechtlich?‘ Das sind alles Parallelstränge, die nach und nach bearbeitet werden müssen.

NachfolgeWerk: Sehen Sie pauschale Unterschiede zwischen der Führungskultur früher und heute? Wie entwickelt sich das Thema Führungskultur?

Juliane Ulbricht: Führungskultur war früher, zumindest in der Regel, deutlich hierarchischer, deutlich dominanter, stärker von den Führungspersönlichkeiten geprägt. Es galt häufig der definierte Prozess, weniger Mitbestimmung. Es gab häufig stringentere Führung – klassisch von ‚oben nach unten‘. Und die Kultur, die sich daraus ergibt, ist klar, schnell und effizient. Sie ist eher geprägt von ‚Wir haben gute Strukturen und Prozesse und die werden einfach eingehalten‘ Punkt. Heute haben wir häufig nicht mehr die klassische hierarchische Führung – Verantwortung wird häufiger geteilt, Interaktionen sind ausdrücklich gewünscht.

Dementsprechend sind Verantwortungen breiter geschultert, Führungsarbeit und -kultur sind eher Matrix-ähnlich. Mitbestimmung und Interaktion sind heute wichtiger als das sicherlich früher war. Von daher ist die Kultur heute diverser, flexibler, gemeinschaftlicher und auf mehrere Schultern verteilt. Das bedeutet aber auch, dass sie, wenn sie nicht ständig in Bewegung ist und nachjustiert wird, auch dazu neigen kann, durch ineffiziente Kreisläufe (z.B. Besprechungskultur) und Kommunikationsschleifen langsam oder wenig agil zu werden.

Grundsätzlich ist es natürlich toll, dass jeder Mitarbeitende und jede Führungskraft Ideen und Lösungen einbringen kann. Aber es bedarf dann eines Instrumentes, einer Person, die versucht, diese unterschiedlichen Stärken und Fähigkeiten, die die Führungskräfte einbringen, gut zu koordinieren und gut zu strukturieren. Das ist schon ein großer Unterschied, den wir bemerken. Und gerade im Nachfolgeprozess ist so eine Person von Vorteil, denn die Wahrnehmung oder diese Wertschätzung für alle Beteiligten ist hier enorm wichtig. Es ist eben wichtig, wirklich ‚alle Mitarbeitenden mitzunehmen‘. Das heißt: Wir müssen die Leute mitnehmen, wir dürfen sie nicht überreden, sondern wir müssen wirklich mit ihnen in die Diskussion gehen. Wir müssen überzeugen. Gerade die Mitarbeitenden müssen wirklich ‚Bock darauf‘ haben, den neuen Weg mit zu gehen. Dieser Kommunikationsprozess ist natürlich viel intensiver.

NachfolgeWerk: Sie meinten, man muss die Mitarbeiter „sanft“ in den Prozess holen. Wie gelingt Ihnen das?

Juliane Ulbricht: Auch hier gilt wieder: wenig Blaupause – alle Teams und Unternehmenskulturen sind da unterschiedlich. Aber häufig ist ein schöner Ansatzpunkt, die eigene Unternehmenskultur. ‚Was ist denn schön bei euch? Warum kommt ihr hierher? Was ist das Erfolgsgeheimnis eures Unternehmens? Was zeichnet euer Unternehmen aus?‘Und dann steigern wir uns: ‚Was glaubt ihr, was sich verändern wird und was soll sich ändern? Was sind die Erwartungen an das Umfeld in der Zukunft?‘ Ziel ist es, Schritt für Schritt das Mindset zu öffnen für Transformationen und Veränderungen und die Möglichkeit, diese aktiv mitzugestalten.

Schnappschuss aus dem Berater-Alltag von Juliane Ulbricht

NachfolgeWerk: Wie machen Sie das konkret?

Juliane Ulbricht: Wir nutzen gerne eine Mischung aus verschiedenen Tools. Neben interaktiven Workshops, offenen Teamrunden und Incentives, sind es häufig die ganz individuellen und unternehmensspezifischen Traditionen oder Ideen, mit denen wir mit allen Mitarbeitenden und Teams ins Gespräch und Arbeiten kommen.

Häufig geben wir aber auch Raum, damit sich Leute einfach einzeln informieren können. Das heißt, manchmal sind es kleine Team-Sprechstunden oder wenn man im Unternehmen ist, dann sind in der Mittagspause Vertreter des Managements und wir als Coaches da und können einfach mal mit den Mitarbeitern über das Thema Nachfolge und Unternehmenskultur reden. Wir nutzen aber auch zunehmend Onlinetools, wie Blitzlichter, Umfragen oder Videoinformationen. Oder eine Kombination aus allen.

NachfolgeWerk: Sie hatten zuvor auch angesprochen, dass man den Flurfunk positiv nutzen kann. Wie gelingt das?

Juliane Ulbricht: Flurfunk gibt’s immer – ihn ‚bekämpfen zu wollen‘ ist zwecklos. Also versuchen wir den Flurfunk so positiv wie irgend möglich zu gestalten. In den Gesprächen versuchen wir Mitarbeitende zu finden, die Bock haben, die kommunikationsstark sind, die intern gut vernetzt sind, die dem Ganzen positiv gegenüber eingestellt sind. Diese Mitarbeitenden können wie kleine ‚Mikro-Influencer‘ wirken, und wir binden diese aktiv in die internen Prozesse ein. ‚Tue Gutes und rede darüber‘ gilt also auch für interne Veränderungen und coole neue Zukunftsideen. Da darf man gern drüber sprechen – formell und informell. Das versuchen wir zu stärken.

Flurfunk ist auch ein Gradmesser für Agilität und Schnelligkeit im Prozess: so sind sensible Veränderungsthemen Abteilungs- und Ebenenübergreifend schnell zu kommunizieren – damit das Management etc. die Informationshoheit hat. Wartet man hier zu lange oder plant diese Kommunikationskreisläufe nicht klug, dann übernimmt der Flurfunk häufig den Rest – da hat man dann wenig Kontrolle drüber.

NachfolgeWerk: Gibt es Unterschiede in den Unternehmen, wie man das Thema interne Kommunikation angehen muss? Vielleicht auch Branchenabhängig?

Juliane Ulbricht: Sicher sind einige Branchen kommunikations- und vielleicht veränderungsstärker. Aber entscheidender ist eher die Unternehmensgröße. Je größer das Unternehmen, desto besser muss ich strategisch planen. Bei kleineren Unternehmen ist es oft leichter, alle Mitarbeitenden zeitnah zusammen zu trommeln und zu informieren – da braucht man oft Zwischenschleifen oder Abstimmungsrunden nicht mehr.

Bei größeren Unternehmen muss ich mich intensiv mit der Vorplanung beschäftigen. Und wenn es um wichtige Informationen geht, dann muss ich mir überlegen, wie ich das klug und schnell und vor allem gleichzeitig transportiert bekomme, damit mir der Flurfunk nicht zuvorkommt, Informationen verloren gehen oder an Aktualität verlieren.

NachfolgeWerk: Sicher ist es nicht immer leicht, die Mitarbeitenden da mitzunehmen. Wie vermittelt man denen vielleicht auch einen neuen Führungsstil?

Juliane Ulbricht: Zu aller erst beginnt es bei denjenigen, die gedanklich schon weiter in der Zukunft sind: die Übergebenden bzw. Übernehmenden. Hier arbeiten wir stark an einem einheitlichen Verständnis von Führung, moderner und zukunftsfähiger Führung, Erwartungen und Ziele. Sensibilität ist da ein großes Stichwort, denn sein Lebenswerk in andere Hände zu geben, vielleicht noch mit dem Wissen, dass bald alles anders läuft, ist schwer.

Aber ich kann durch intensive Gespräche, durch Beispiele, durch Diskussionen aufzeigen, wie das funktionieren kann, auf welcher Ebene man sich treffen kann. Ich kann auch spiegeln, wie sich die Gesellschaft oder die Branche verändert und damit ein Stück weit mehr Verständnis, Offenheit, Akzeptanz erreichen.

Danach sind die Mitarbeiter im Blick. Na klar hört keiner, der Jahre an einer Maschine arbeitet gerne, dass ab morgen alles anders ist oder: ‚Du musst dir deinen Schichtplan selber schreiben und am besten überlegst du dir morgens, welche Maschine du nimmst.‘. Das ist ganz schwer in unsere Routinen reinzubringen, das ist in unserem Kopf schwer zu vermitteln. Von daher ist auch das wirklich ein Prozess.

Und da erleben wir häufig einen Learning by Doing-Effekt. Wenn die Leute sich damit beschäftigen und sich austauschen, dann haben wir wieder die Chance, etwas auszuprobieren. So kleine Erfolge, kleine Veränderungen mitnehmen und die aber immer wieder quasi zurückspulen, dass man darüber spricht, sie wieder anpackt, wieder verändert, dann kann sowas gelingen.

NachfolgeWerk: Wann haben Sie das Gefühl oder was muss erfüllt sein aus Ihrer Sicht, dass Sie als Unterstützerin, Beraterin mit einem guten Gefühl rausgehen können und sagen können: Das hat aus meiner Sicht gut geklappt. Jetzt kann ich mich erst mal zurückziehen. Was ist da so die Checkliste, die Sie vielleicht vor Augen haben?

Juliane Ulbricht: Wir stellen uns die Frage: Welche Stromschnellen, die immer kommen, muss ich erfolgreich passiert haben mit dem neuen Führungsteam beispielsweise? Für viele sind es zum Beispiel der Jahresabschluss oder auch Preisanpassungen. Wenn solche Meilensteine vorab definiert wurden und sich erste Veränderungen etabliert oder bewiesen haben, dann ist das schonmal sehr positiv. Wenn die Vorplanung zudem stimmt und allgemein eine gute Dynamik im Prozess ist, dann ist das schon ein großer grüner Haken. Wir arbeiten ja oftmals sehr, sehr eng mit der bisherigen Geschäftsführung bzw. Leitung zusammen. Wenn man dort sagt: ‚Okay, auch wenn ich noch nicht hundertprozentig für diese offenere oder neue Führungsart bin, ich habe das für mich akzeptiert, habe gute Prozesse für mich gefunden.‘ Wenn das über einen Zeitraum von Monaten funktioniert, dass das auch für jeden sichtbar ist, dann würde ich auch da einen Haken dran machen. Und drittens: muss auch der Übernehmende, auf der anderen Seite, schon angekommen sein. Sie oder er hat ja auch Ziele oder Visionen und es ist wichtig, dass auch auf dieser Seite schon ein gutes Gefühl ist, also auch etwas abgehakt werden kann.

Grundsätzlich muss die große Frage beantwortet sein „Können wir die notwendigen nächsten Schritte von innen heraus bewältigen?“ Wenn das möglich und realistisch ist sowie motiviert bejaht werden kann, dann planen wir den Exit bzw. das weitere Vorgehen für den Betrieb.

NachfolgeWerk: Vielen Dank für das Gespräch.

Weitere Beiträge, die Sie auch interessieren könnten:

  • Nachfolgekommunikation