Denkstatt Erzgebirge – Suche abseits bekannter Pfade

Die Suche nach einem passenden Unternehmen bzw. einem geeigneten Nachfolger oder Nachfolgerin ist ein spannender und herausfordernder Prozess. Und einer der schwierigsten Schritte bei einer Nachfolge. Oftmals haben beide Seiten sehr konkrete Vorstellungen. Bei Nachfolgeinteressierten ist meist die Branche oder die Such-Region klar definiert. Unternehmer haben oftmals klare Anforderungen an mögliche Interessenten im Hinblick auf die Fachkompetenz oder Führungserfahrungen.

Aber auch eine Suche abseits bekannter Pfade kann lohnend sein. Viele Unternehmen – auch aus traditionellen handwerklichen Bereichen – bieten enormes Innovationspotenzial und beste Entwicklungsperspektiven.

Die Denkstatt Erzgebirge ist für uns ein wunderbares Beispiel dafür, wie Tradition und Zukunft zueinanderfinden können und wie junge Menschen an der Zukunft des traditionellen Kunsthandwerks im Erzgebirge mitwirken können. Das NachfolgeWerk hat sich diesen Ansatz also einmal genauer angesehen. Auch wir waren neugierig, wie Innovation und Handwerk gut zueinander finden.

Also starteten wir eine kleine Sommerreise ins Erzgebirge und trafen uns mit Wolfgang Braun, Markus Weber und Genia Schlesier, um die Denkstatt kennenzulernen und zu überlegen, wie das NachfolgeWerk Sachsen und die Denkstatt gemeinsam Unternehmensnachfolgen in der Region des Erzgebirges unterstützen können. Mit dabei war auch Frederic Günther vom Verband Erzgebirgische Kunsthandwerker und Spielzeughersteller mit seinem vielfältigen Erfahrungsschatz über die Region und die Branche. Wir waren beeindruckt: In der einzigartigen Landschaft des Erzgebirges, hoch oben über dem Kurort Seiffen, entstand Freiraum, die Zukunft des Erzgebirges neu zu denken. Hier ist ein Ort, um dem kreativen Geist freien Lauf zu lassen, zu werkeln, zu probieren und zu experimentieren. Junge Kreative und Gestalter sind eingeladen, ihre Ideen, ihren Mut und ihre Offenheit einzubringen, die Traditionen zu bewahren und in eine gute Zukunft zu führen. Und es ist ein Ort, mit den Akteuren zusammenzutreffen, die sich für die Region und die Traditionen des Kunsthandwerks über viele Jahre bereits engagieren.

Worum geht es?

Im Erzgebirge gibt es weit über 100 aktive Betriebe im Bereich des Kunsthandwerks und der Spielzeugmacher – ein Erfahrungsschatz, der nicht verloren gehen darf. Das Erzgebirge, das Lebensgefühl, die Heimatliebe und nicht zuletzt die erzgebirgische Mentalität, sind eng verbunden mit dieser Tradition. Und diese Tradition ist zugleich eine große Triebfeder des Tourismus im Erzgebirge. „Alles kommt vom Bergwerk her“ – auch das Kunsthandwerk. Und so findet sich hier auch die Verbindung zum UNESCO-Welterbe, das die Region in den kommenden Jahren noch bekannter machen soll.

Aber – so erzählen es uns die Macher der Denkstatt – diese Traditionen sind auch bedroht, da in der Region engagierte Nachfolgerinnen und Nachfolger fehlen, die diese Traditionen fortführen und mit neuem Leben füllen. Drei von vier dieser Betriebe müssen in den kommenden Jahren den Generationenwechsel schaffen. Das ist eine gewaltige Aufgabe.

Und so ist es nicht nur Ziel der Denkstatt, Kreative und Gestalter ins Erzgebirge zu holen (oder sie hier zu halten), ihnen Freiraum für ihr Schaffen zu geben und sie zu ermutigen, ihren Weg zu gehen. Gleichermaßen kann es eine Chance sein, Fach- und Führungskräfte mit enger Verwurzlung zum Handwerk zu gewinnen, die, womöglich gemeinsam mit den kreativen und gestaltenden Köpfen, die traditionellen Betriebe fortführen können. Wie können neue Ideen, insbesondere auch in den Bereichen Design, Marketing und Vertrieb in den traditionell arbeitenden Unternehmen Einzug finden? Und wie können die Betriebe im Erzgebirge so auch ein attraktiver Arbeits- und Lebensort für junge Menschen und ihre Familien werden?

Die Denkstatt Erzgebirge, der Verband Erzgebirgische Kunsthandwerker und Spielzeughersteller, die Wirtschaftsförderung Erzgebirge und auch wir vom NachfolgeWerk sind Ansprechpartner für Unternehmer und Nachfolger, um gemeinsam gute Lösungen für die Zukunft der Betriebe und den Erhalt von Traditionen und Arbeitsplätzen zu finden.

Die Herausforderung.

Die Unternehmensnachfolge ist ein sensibles Thema, das man am besten langfristig und gemeinsam mit Verbündeten und Unterstützern planen kann. Nachfolge ist auch ein sensibles Thema, weil es um das „Loslassen“ geht. Das Loslassen von dem, was man ein ganzes Leben mit Herzblut getan hat. Deshalb ist es sinnvoll, die Gedanken an die eigene Nachfolge bewusst zuzulassen und sich schrittweise anzunähern. Das kann erstmal im stillen Kämmerlein passieren. Aber dann, ist es sinnvoll weitere Personen einzuweihen, die den Prozess begleiten können. So kann die Entwicklung einer guten Nachfolgelösung zu einem Projekt werden, das wie jedes andere Projekt im Unternehmen gut vorangebracht werden kann.

So ein Herangehen fällt aber oft schwer. Deshalb braucht es Unterstützer. Die Denkstatt Erzgebirge ist ein guter Unterstützer, weil die Macher selbst aus der Branche kommen und genau wissen, wo Probleme liegen, aber auch, wo Lösungen sein können. Und dennoch: Die Skepsis gegenüber dem Neuen – gegenüber den jungen Kreativen – ist manchmal groß. Manchmal fehlen Offenheit und Mut, Begleiter für das eigene Nachfolge-Projekt zu suchen. Deshalb sind Sensibilisierung und positive Beispiele so wichtig.

Die Hoffnung.

Die Traditionen rund um das Kunsthandwerk und die Spielzeugmacher sind tief im Erzgebirge verwurzelt. Die gute Entwicklung der Branche in den letzten Jahren zeigt, dass es eine Zukunft geben kann. Das motiviert Schülerinnen und Schüler, eine Ausbildung zum Drechsler und Holzspielzeugmacher zu absolvieren. In Seiffen gibt es die deutschlandweit einzige Holzspielzeugmacher- & Drechslerschule mit derzeit rund 30 Auszubildenden. Und auch Studierende von Kunsthochschulen aus ganz Deutschland finden den Weg ins Erzgebirge. Über 300 Gestalter und Kreative waren in den vergangenen Jahren in der Denkstatt Erzgebirge zu Gast und haben die Betriebe, die traditionellen Entwürfe, die Produktvielfalt und die Verbundenheit der Menschen mit dem Erzgebirge kennengelernt. Nun ist es Ziel, die jungen Menschen für die Region und ihre Traditionen zu gewinnen.

Diese Bemühungen werden von der Denkstatt Erzgebirge zusätzlich auch durch die Vergabe von Stipendien, analog zum „Artist in Residence“-Konzept, gestützt. In einer dreimonatigen Kreativphase können junge Kreative dabei nicht nur die Einrichtungen der Denkstatt nutzen. Das Stipendium zielt insbesondere auch darauf ab, dass junge Menschen den im Erzgebirge verwurzelten Holzprofis vor Ort über die Schulter schauen und, so im Idealfall, gemeinsam Ideen für kreative Wege in die Zukunft entdecken.

Dafür ist es wichtig, neuen Ideen gegenüber aufgeschlossen zu sein, neuen Ideen ihren Raum zu geben und junge Menschen mit offenen Herzen zu empfangen – hERZland eben.

Hinzu kommen Mut und Entschlossenheit. Neues zu wagen und die eigenen Ideen und Entwürfe mit Tatkraft zu vertreten. Tradition und Zukunft gemeinsam neu zu denken. Dafür braucht es manchmal Hilfe. Die Denkstatt Erzgebirge vernetzt Kreative aus Handwerk, Kunst und Design mit dem regionalen Handwerk und unterstützt bei der Kontaktanbahnung.

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